Welch
aufregender Beginn meiner Reise : die Odyssée durch Paris. Aus dem
schneeregnerischen Luxemburg im engen TGV nach Paris gerauscht, wo mich
strahlender Sonnenschein begrüßt. Zwar unausgeschlafen aber doch guter Laune
spare ich mir die 90 Euro Taxifahrt zum Hotel und versuche es mit der Metro –
ein fataler Fehler. Metrofahren in Paris ist schon höllisch, Metrofahren mit großem
Koffer ist auch noch tödlich, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Mehr als
einmal fand ich mich zwischen Stahlschranken eingequetscht, weil ich nicht
schnell genug mit Koffer und Rucksack durchgeschlüpft bin. Kein Metro-personal
weit und breit, das mich befreien könnte, geschweige denn eines Notrufknopfes. Immer wieder finden sich freundliche junge
Männer ebenso ausländischer Herkunft wie ich, die mir halfen meinen, aufgrund
einiger Projektersatzteile 32kg wiegenden Koffer über die 1,5 Meter hohen
Schranken zu stemmen. Endlose unterirdische Gänge, die in weiteren Gängen enden
und sich durch Treppen abwechseln, über die ich den Koffer hinab und hinauf
zerre. Rolltreppen, Fahrstühle – davon ist weit und breit nichts in Sicht. Ich
frage mich, wie sich Rollstuhlfahrer durch Paris bewegen…
Irgendwann
habe ich die Station erreicht, in der ich nun einen Zug nehmen kann. 4 Stufen
hoch ist der Einstieg. Dann noch ein Bus. Dann bin ich am Flughafen, wo mir der letzte Bus zum Hotel
vor der Nase wegfährt. Eine Stunde in der Kälte, einen Eishagel überlebt und
mich mit jede Menger Busfahrer unterhalten. Jeder erzählt mir von glücklichen
Verwandten in Deutschland, die sich dort sehr wohl fühlen. Und das freut mich
grade mal. Ich habe das Gefühl, das Deutsch-Französische Verhältnis scheint
sich langsam ein wenig zu verbessern. Letztendlich muss ich doch ein Taxi
nehmen, das mich für 30 Euro zu meinem Hotel bringt. ich mache mich auf den Weg
um in der Dämmerung noch die Seine anzusehen und mir etwas zu essen zu
besorgen. Nachts wache ich alle Stunde auf aus Angst, den Flieger zu verpassen.
Um 5 :30 stehe ich auf und versuche es einmal mit dem Frühstück. Ich hätte
eigentlich schon hier meinen Reiseproviant für das haitianische Hochland
anbrechen können. Wie soll ich von einem winzigen Schokocroissant und
zuckerigen Cornflakes jemals satt werden? Als hätte ich Steine im Magen und
immer noch hungrig fahre ich mit einem Shuttle zum Flughafen. Der Chauffeur aus
Gabon stellt mir gleich ganz andere Fragen, als es ein Franzose täte. Ob ich
Geschwister, Eltern, einen Freund und Kinder habe und warum denn das letztere
nicht. Ich müsste doch Nachkommen zeugen! jaja, sagte ich, aber erst muss ich
noch ein wenig reisen. Und dann erzählte er mir von den schlechten Zuständen im
immer krimineller werdenden Paris. In den letzten 10 Jahren würden viele
Menschen aus dem Osten kommen. Rumnänien, Albanien usw. und würden bis zu den
Stromkabeln alles klauen. Die Polizei würde dem nicht Herr. Außerdem würden sie
ihre Kinder prostituieren, beklagte sich der Chauffeur. Da stünden dann oft
15-jährige Mädchen an der Straße. Auch in den Bidonvilles sei es nach wie vor
gefährlich. Die Ju
gendlichen hätten keine Arbeit und würden ihrem Unmut oft mit
Gewalt Ausdruck verleihen.
Nach diesem
kleinen Einblick in die französische Gesellschaft betrete ich um 7:30 den
Flughafen, um weitere 4 Stunden von Check-in zu Gates zu laufen. Mein Koffer,
in dem sich u.a. Maschinenteile für das
Elektrifizierungsprojekt in Café Lompré sowie eine hölzerne Schatztruhe für ein
Bildungsprojekt befinden, ist 10 Kilogramm zu schwer. 50 Euro soll ich dafür
nachbezahlen. Ich nehme meinen Koffer also zurück und verteile um. Die Bücher,
die ich für eine Schule in den Bergen mitgenommen hatte, bekommt ein Haitianer.
Der Schatztruhe nimmt sich Eric, ein Belgier an, der für den belgischen Entwicklungsdienst
arbeitet und die Elektrosicherungen kommen in mein Handgepäck. Nun wiegt mein
Koffer nur noch 21 Kilo und ich kann ihn endlich abgeben. Die Bücher hole ich
mir wieder und habe dann eben noch eine Tüte als zweites Handgepäck, was aber
keinen so richtig zu stören scheint.
Mit Eric komme
ich dann nochmal ins Gespräch und erzähle ihm von unseren miteinander
vernetzten Projekten in Café Lompré. Ich zeige ihm meinen Film, den ich vor 2
Jahren gemacht habe, erzähle von der Wasserturbine, die mit dem Strom einer
hydraulischen Turbine Trinkwasser in das Dorf pumpt. Und auch von den elektrischen Leitungen unseres
Elektrifizierungsprojektes, die so viel Strom weiterleiten, dass die Maschinen
der Handwerksschule angetrieben werden und das Dorf mit Straßenlaternen
beleuchtet werden kann. Er ist begeistert und wir sprechen über eine gemeinsame
Kooperation. Ich fühle mich gerade am richtigen Platz.
Die Frische
der pfirsichfarbenen Blazer strahlender Stewardessen und die bunten Federn auf
dem Embelm von Air Caraibes erwecken in mir Vorfreude auf die Karibik. Auch
beim kaum definierbaren giftgrünen Flugzeugessen muss ich an die gesunde
haitianische Küche denken, frei von chemischen Zusätzen und
Geschmacksverstärkern. Aber der 10 stündige Flug zieht sich und ich weiß wieder
genau, warum ich gerne Urlaub in Europa mache. Erschöpft frage ich mich, warum
ich mir das antue. In Pulli und Fleecejacke trete ich aus dem klimatisierten
Flugzeug auf die Rolltreppe und die 32 Grad treffen mich wie ein Schlag. Auch die
noch weitere 3 Stunden dauernde Autofahrt über gelöcherte Straßen und
Serpentinen macht mein Unwohlsein nicht besser. Dennoch fällt mir auf wie sich
hier einiges in der letzten 2 Jahren verbessert hat. Die Strassenbeläge sind
ausgebessert, der Müll ist fort, der Palast abgerissen, überall wird neu gebaut
und ich sehe weit und breit keine Zeltstädte mehr. Auch auf mein Fragen hin
wird mir bestätigt, dass die Leute umgesiedelt wurden. Ich frage mich
ernsthaft, was die Medien uns da für ein Bild vermitteln wollen, denn in Europa
höre ich immer nur „Haiti? Das ist doch das Land in dem seit dem Erdbeben immer
noch nichts passiert ist und die NGOs alles Geld für sich eingesackt haben!“
Und weitere würde ich gerne wissen, welche Lobby an solch einer Presse interessiert
ist. Will irgendjemand, dass weniger gespendet wird, damit die Leute ihr Geld
lieber ins Wirtschaftswachstum stecken? Auf jeden Fall bemerke ich auf dieser
Autofahrt wie viel da schon geschehen ist. Was auch auffällt, ist die
Trockenheit. Schon aus dem Flugzeug ragten mir die braunen Berge entgegen und
die drei Palmen, die ich vom Dach der Brüder sehe, sind schon halb vertrocknet.
Seit Oktober hat es schon nicht mehr so richtig geregnet. Falls, aufgrund der
Trockenheit eine Hungersnot ausbricht, könnte es vermehrt zu politischen
Unruhen kommen.
Bei der
Brüdergemeinschaft in Café Lompré angekommen, mit der wir seit 30 Jahren
bestens zusammenarbeiten, werde ich mit einem leckeren Essen begrüßt. Darauf
hab ich mich jetzt 2 Jahre gefreut: Frittierte Kochbananen, Reis, Bohnen, Gemüse.
Nachts wache
ich erstmal um 1:30 auf. In Europa wären es jetzt schon 7:30. Aber das wird
sich bald einpendeln.
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