Dienstag, 11. Februar 2014

Odyssée parisienne



Welch aufregender Beginn meiner Reise : die Odyssée durch Paris. Aus dem schneeregnerischen Luxemburg im engen TGV nach Paris gerauscht, wo mich strahlender Sonnenschein begrüßt. Zwar unausgeschlafen aber doch guter Laune spare ich mir die 90 Euro Taxifahrt zum Hotel und versuche es mit der Metro – ein fataler Fehler. Metrofahren in Paris ist schon höllisch, Metrofahren mit großem Koffer ist auch noch tödlich, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Mehr als einmal fand ich mich zwischen Stahlschranken eingequetscht, weil ich nicht schnell genug mit Koffer und Rucksack durchgeschlüpft bin. Kein Metro-personal weit und breit, das mich befreien könnte, geschweige denn eines Notrufknopfes.  Immer wieder finden sich freundliche junge Männer ebenso ausländischer Herkunft wie ich, die mir halfen meinen, aufgrund einiger Projektersatzteile 32kg wiegenden Koffer über die 1,5 Meter hohen Schranken zu stemmen. Endlose unterirdische Gänge, die in weiteren Gängen enden und sich durch Treppen abwechseln, über die ich den Koffer hinab und hinauf zerre. Rolltreppen, Fahrstühle – davon ist weit und breit nichts in Sicht. Ich frage mich, wie sich Rollstuhlfahrer durch Paris bewegen…
Irgendwann habe ich die Station erreicht, in der ich nun einen Zug nehmen kann. 4 Stufen hoch ist der Einstieg. Dann noch ein Bus. Dann bin ich  am Flughafen, wo mir der letzte Bus zum Hotel vor der Nase wegfährt. Eine Stunde in der Kälte, einen Eishagel überlebt und mich mit jede Menger Busfahrer unterhalten. Jeder erzählt mir von glücklichen Verwandten in Deutschland, die sich dort sehr wohl fühlen. Und das freut mich grade mal. Ich habe das Gefühl, das Deutsch-Französische Verhältnis scheint sich langsam ein wenig zu verbessern. Letztendlich muss ich doch ein Taxi nehmen, das mich für 30 Euro zu meinem Hotel bringt. ich mache mich auf den Weg um in der Dämmerung noch die Seine anzusehen und mir etwas zu essen zu besorgen. Nachts wache ich alle Stunde auf aus Angst, den Flieger zu verpassen. Um 5 :30 stehe ich auf und versuche es einmal mit dem Frühstück. Ich hätte eigentlich schon hier meinen Reiseproviant für das haitianische Hochland anbrechen können. Wie soll ich von einem winzigen Schokocroissant und zuckerigen Cornflakes jemals satt werden? Als hätte ich Steine im Magen und immer noch hungrig fahre ich mit einem Shuttle zum Flughafen. Der Chauffeur aus Gabon stellt mir gleich ganz andere Fragen, als es ein Franzose täte. Ob ich Geschwister, Eltern, einen Freund und Kinder habe und warum denn das letztere nicht. Ich müsste doch Nachkommen zeugen! jaja, sagte ich, aber erst muss ich noch ein wenig reisen. Und dann erzählte er mir von den schlechten Zuständen im immer krimineller werdenden Paris. In den letzten 10 Jahren würden viele Menschen aus dem Osten kommen. Rumnänien, Albanien usw. und würden bis zu den Stromkabeln alles klauen. Die Polizei würde dem nicht Herr. Außerdem würden sie ihre Kinder prostituieren, beklagte sich der Chauffeur. Da stünden dann oft 15-jährige Mädchen an der Straße. Auch in den Bidonvilles sei es nach wie vor gefährlich. Die Ju
gendlichen hätten keine Arbeit und würden ihrem Unmut oft mit Gewalt Ausdruck verleihen.
Nach diesem kleinen Einblick in die französische Gesellschaft betrete ich um 7:30 den Flughafen, um weitere 4 Stunden von Check-in zu Gates zu laufen. Mein Koffer, in dem sich u.a.  Maschinenteile für das Elektrifizierungsprojekt in Café Lompré sowie eine hölzerne Schatztruhe für ein Bildungsprojekt befinden, ist 10 Kilogramm zu schwer. 50 Euro soll ich dafür nachbezahlen. Ich nehme meinen Koffer also zurück und verteile um. Die Bücher, die ich für eine Schule in den Bergen mitgenommen hatte, bekommt ein Haitianer. Der Schatztruhe nimmt sich Eric, ein Belgier an, der für den belgischen Entwicklungsdienst arbeitet und die Elektrosicherungen kommen in mein Handgepäck. Nun wiegt mein Koffer nur noch 21 Kilo und ich kann ihn endlich abgeben. Die Bücher hole ich mir wieder und habe dann eben noch eine Tüte als zweites Handgepäck, was aber keinen so richtig zu stören scheint.
Mit Eric komme ich dann nochmal ins Gespräch und erzähle ihm von unseren miteinander vernetzten Projekten in Café Lompré. Ich zeige ihm meinen Film, den ich vor 2 Jahren gemacht habe, erzähle von der Wasserturbine, die mit dem Strom einer hydraulischen Turbine Trinkwasser in das Dorf pumpt. Und auch von  den elektrischen Leitungen unseres Elektrifizierungsprojektes, die so viel Strom weiterleiten, dass die Maschinen der Handwerksschule angetrieben werden und das Dorf mit Straßenlaternen beleuchtet werden kann. Er ist begeistert und wir sprechen über eine gemeinsame Kooperation. Ich fühle mich gerade am richtigen Platz.
Die Frische der pfirsichfarbenen Blazer strahlender Stewardessen und die bunten Federn auf dem Embelm von Air Caraibes erwecken in mir Vorfreude auf die Karibik. Auch beim kaum definierbaren giftgrünen Flugzeugessen muss ich an die gesunde haitianische Küche denken, frei von chemischen Zusätzen und Geschmacksverstärkern. Aber der 10 stündige Flug zieht sich und ich weiß wieder genau, warum ich gerne Urlaub in Europa mache. Erschöpft frage ich mich, warum ich mir das antue. In Pulli und Fleecejacke trete ich aus dem klimatisierten Flugzeug auf die Rolltreppe und die 32 Grad treffen mich wie ein Schlag. Auch die noch weitere 3 Stunden dauernde Autofahrt über gelöcherte Straßen und Serpentinen macht mein Unwohlsein nicht besser. Dennoch fällt mir auf wie sich hier einiges in der letzten 2 Jahren verbessert hat. Die Strassenbeläge sind ausgebessert, der Müll ist fort, der Palast abgerissen, überall wird neu gebaut und ich sehe weit und breit keine Zeltstädte mehr. Auch auf mein Fragen hin wird mir bestätigt, dass die Leute umgesiedelt wurden. Ich frage mich ernsthaft, was die Medien uns da für ein Bild vermitteln wollen, denn in Europa höre ich immer nur „Haiti? Das ist doch das Land in dem seit dem Erdbeben immer noch nichts passiert ist und die NGOs alles Geld für sich eingesackt haben!“ Und weitere würde ich gerne wissen, welche Lobby an solch einer Presse interessiert ist. Will irgendjemand, dass weniger gespendet wird, damit die Leute ihr Geld lieber ins Wirtschaftswachstum stecken? Auf jeden Fall bemerke ich auf dieser Autofahrt wie viel da schon geschehen ist. Was auch auffällt, ist die Trockenheit. Schon aus dem Flugzeug ragten mir die braunen Berge entgegen und die drei Palmen, die ich vom Dach der Brüder sehe, sind schon halb vertrocknet. Seit Oktober hat es schon nicht mehr so richtig geregnet. Falls, aufgrund der Trockenheit eine Hungersnot ausbricht, könnte es vermehrt zu politischen Unruhen kommen. 


Bei der Brüdergemeinschaft in Café Lompré angekommen, mit der wir seit 30 Jahren bestens zusammenarbeiten, werde ich mit einem leckeren Essen begrüßt. Darauf hab ich mich jetzt 2 Jahre gefreut: Frittierte Kochbananen, Reis, Bohnen, Gemüse.
Nachts wache ich erstmal um 1:30 auf. In Europa wären es jetzt schon 7:30. Aber das wird sich bald einpendeln.
 

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