Samstag, 4. Dezember 2010

Ein Resumée

Fast genau ein ganzes Jahr durfte ich im Land der Berge wohnen. Jeden Morgen fuhr ich mit dem Fahrrad neben einem plätschernden Bach zu meiner Arbeit und wurde in der Mittagspause von dem Geläute der Kuhglocken begleitet. Ich bin in einsamen Seen geschwommen und auf Berge geklettert oder habe einfach da gesessen um die schöne Aussicht zu genießen. 
Zwischen den Schweizern herrschte eine solche Freundlichkeit, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte als ein Teil dieses Ganzen zu sein. Als ob das Land ein Dorf wäre, sprach jeder mit jedem. Auf der Straße wurde gegrüßt und wünschte immer noch einen schönen Tag oder sagte sonst eine Nettigkeit.
Aber gerade da, habe ich etwas falsch verstanden.
Wie so viele Deutsche habe auch ich, Freundlichtkeit mit "Freund"lichkeit gleichgesetzt. Hier liegt gerade der winzige kulturelle Unterschied.
Es müssen erst einmal Jahre ins Land gehen, bis aus Bekannten Freunde werden.
Aber auch das ist berechtigt und gut nur war es für mich schwer zu verstehen, dass ich noch lange warten müsste, bis ich Freunde haben würde. Leider konnte ich diese Zeit nicht abwarten. Mein neuer Job zog mich nach Luxemburg. Und ein weiterer Länder-Blogg beginnt.

Politik in der Schweiz ..und alle machen mit

Wie wir alle wissen, haben wir es in der Schweiz mit einer direkten Demokratie zu tun. Jeder volljährige Schweizer hat das Recht per Volksabstimmung über Gesetzesvorschläge und -änderungen über die geltende Rechtsgrundlage zu entscheiden. Soll ein Mitspracherecht wäre vielen Deutschen sicher sehr willkommen.
Das Vorrecht der Volksstimme bringt in der schweizer Politik noch weitere Vorteile mit sich, als allein die Möglichkeit der eigenen Meinung Verhör zu verschaffen.
Meiner Beobachtung nach sind der Schutz des Gemeinwesens und der Zusammenhalt der Gesellschaft im kulturellen Gedächtnis der Eidgenossen stark verankert. Zwar ist die Schweiz doch unglaublich vielseitig, und durch die Sprachgrenzen zerteilt, und doch wird das öffentliche Eigentum mehr geachtet, als ich vielleicht in Deutschland bemerken würde. Denn was ich zerstöre, schadet auch mir selbst, da es auch mein Besitz ist. Die Gemeinschaft scheint konformer, es gibt kaum Randgruppen, die gegen einen „bösen Staat“ rebellieren, weil sie selbst der Staat sind. Die Möglichkeit zur Mitbestimmung setzt den Einzelnen gewissermaßen unter Druck etwas zu ändern, wenn es ihm nicht passt, politisch zu werden.
Ein Mindestmaß an politischem Bewusstsein ist daher die notwendige Konsequenz.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass auch jene Mitbürger politische Entscheidungen treffen, welche aus den verschiedensten Gründen dieses Handwerk nicht verstehen bzw. die Tragweite bestimmter Entscheidungen nicht erfassen.  
So zeigte es erneut die kürzlich entfachte Debatte um die Abschiebung straffälliger Ausländer in ihre Heimat. Die Thematik erinnert uns an das Minarettverbot vor genau einem Jahr, als eine satte Mehrheit der Eidgenossen ein Bauverbot für Minarette befürwortete. Damals wie heute war es dir aggressive und finanzstarke SVP, die den Wahlkampf mit fremdenfeindlichen Parolen dominierte. Das Land dürfe kein „Eldorado für kriminelle Ausländer“ werden. Mit „diesen Schlägereien, Messerstechereien und anderen Gewalttaten“ der Fremden müsse man Schluss machen.“ Der Großteil der Schweizer möchte sich augenscheinlich vor anderskulturellen Einflüssen schützen und zieht es vor, dass das weiße Schaf das schwarze mit einem Tritt aus dem Land befördert, so wie es die vielen SVP-Plakate
anschaulich darstellen.
Wer als Ausländer eine Straftat begeht, wird des Landes verwiesen nebst der dazu gehörigen mehrjährigen Wiedereinreisesperre belegt. In Umfragen fand dieser Plan von den Bürgern Zuspruch, woraufhin bürgerliche Parteien einen Gegenvorschlag formulierten, der vom Parlament gutgeheißen wurde. Der Vorschlag unterscheidet sich zum SVP-Konzept lediglich durch eine „Prüfung der Tat im Einzelfall“ vor der endgültigen Abschiebung. Aber die Mehrheit der Schweizer zieht das harte Durchgreifen gegenüber Ausländern vor, die Ausschaffungsinitiative wurde mit einer Mehrheit von 52,9 Prozent angenommen.
Dem schweizer Volk wurde damit wieder einmal eine Initiative zur Abstimmung unterbreitet, die bewusst geltende Menschenrechtsstandards sowie die Schweizer Verfassung verletzt. Ausländer werden stigmatisiert. Eine Aufruf der Nicht-Regierungsorganisation Solidarité sans frontières spricht es direkt an: „Die zentrale inhaltliche Botschaft dieser Auffassung ist überall die Gleiche: AusländerInnen in der Schweiz tragen eine grundsätzliche Bringschuld auf sich – wodurch sie ebenso grundsätzlich als nicht vollwertige Mitbürger betrachtet werden. Das viel zitierte Gastrecht bekommt in diesem Kontext eine Bedeutung, welche den zweiten Teil des Wortes ad absurdum führt: AusländerInnen sind in der Schweiz «Gäste» mit Pflichten – ihre Rechte aber werden wo immer möglich eingeschränkt und beschnitten.
Diese Zweiteilung des Rechtsstaats (…) ignoriert die Anforderungen einer modernen Gesellschaft. Migration ist ein globales Phänomen geworden, welches weder durch Repression, Zwang oder Segregation bewältigt werden kann. Um den schwierigen Anforderungen dieses Phänomens gerecht zu werden, braucht es neue Ansätze und die
Courage, diese auch umsetzen zu wollen. Die Schweiz ist längst eine Einwanderungsgesellschaft geworden und muss dies endlich anerkennen. Dazu brauchen wir einen Gesellschaftsentwurf, welcher nicht auf Zwang, sondern auf Freiheit und Gleichheit für alle, auch für die MigrantInnen, beruht."

Ich versuche für die schweizer Wähler Verständnis aufzubringen. Im Gegensatz zu meiner multikulturellen Heimat sind es die Schweizer noch nicht gewohnt in solchem Maße von Ausländern bevölkert zu werden, wie es in den letzten Jahren seit der wirtschaftlichen Grenzöffnung der Fall geworden ist. Und so soll dass schwarze Schaf doch lieber des Landes verwiesen werden. Zwar ist vorerst nur das unangepasste Schaf gemeint, im Herzen sind es jedoch doch eigentlich alle, die nicht weiß sind. Die Elite soll Elite bleiben und bitte nicht durchmischt werden, Globalisierung muss woanders stattfinden. Dass die Schweiz ohne die ausländischen Arbeitskräfte schon lange nicht mehr funktionieren würde, werden die Politiker sicherlich begreifen. Gerne schlagen sie jedoch Kapital aus der Stimme derer, die die klaren Botschaften einer rechten Partei nicht unbedingt hinterfragen.