Donnerstag, 26. Mai 2011

Café Lompré - mitten in der Ferne

Lange bevor aus schwarz grün wird, beginnt das Leben in Café Lompré.

Café Lompré ist ein  Bergdorf mitten im haitianischen Urwald. Ich sitze um 5 Uhr morgens auf dem Dach des Hauses und warte darauf, dass der Nebel wegzieht. Und plötzlich ist es Tag.
Heute werde ich die Wasserprojekte von Objectif Tiers Monde besichtigen. Unsere Organisation hat schon vor 15 Jahren angefangen im Bereich Trinkwasser zu arbeiten und das Wasser aus den entfernt gelegenen Quellen näher zu den Menschen zu bringen. 
Das hat nicht nur zur Folge, dass die Leute sauberes Trinkwasser haben, sondern auch, dass die Mädchen zur Schule gehen können, die sonst dafür verantwortlich sind, das Wasser über viele Kilometer auf ihrem Kopf zu den über die Berghänge verteilten kleinen Hütten zu tragen.
Café Lompré ist anders, als wir es für ein Bergdorf annehmen dürfen. 
 
Die 10.000 Leute leben in den Bergen verteilt. Schon vor der Unabhängigkeit waren die ersten Sklaven von ihren Feldern in den Urwald geflüchtet. Sklaven, die von den Engländern aus verschiedenen Ländern Afrikas importiert worden waren und die am Sklavenumschlagplatz für Großkunden aus Frankreich und den USA übrig geblieben waren. In den Bergen ließen sich die Familien auf kleinen Flecken nieder, darauf bedacht von niemandem gesehen zu werden, der sie an ihre früheren Herren ausliefern könnte.

Die einsamen winzigen Friedhöfe vor den Hütten zeugen von dieser Isolation. Der fehlende Zusammenhalt dieser Menschen findet sich in unserem Wasserprojekten wieder, die ohne eine Gemeinschaftsstruktur und dem dazugehörigen Verantwortungsbewusstsein nicht funktionieren können. Objectif Tiers Monde hat dieses ausgeklügelte und sehr komplexe System von Wasserleitungen, Druckleitungen, Pumpen während vieler Jahre weiterentwickelt und selbst nach 15 Jahren ist es noch nicht fertig. Immer mehr Regionen wollen Trinkwasser, das an Kiosken verteilt wird. Eine Hochstromleitung wird in den nächsten Tagen gebaut damit die Berufsschule ausreichend mit Strom aus der Wasseranlage versorgt werden kann. 
Das Projekt soll ein Beispiel geben für das, dass in den ländlichen Gebieten Haitis Bildung, Arbeit und Fortschritt möglich sind. 
 
Ein Modelldorf zum Nachmachen, für Leute, die den Mut haben hier etwas zu schaffen. Die Stolz sind und an sich glauben. Denn für die weite grüne Landschaft, die Palmen, die Tiere würden Touristen in der Schlange stehen, um hier her kommen zu dürfen. Was fehlt ist eben die Infrastruktur. „Wasser und Elektrizität sind die Zukunft“ haben unsere Freunde hier unter die Straßenlaterne in den frischen Beton geritzt. Die Leute haben wieder Hoffnung, welche sich in der fleißigen Arbeit abzeichnet. Selbst sonntags und nachts wird noch geschippt und gewerkelt. Einige Helfer schaufeln seit Wochen einen Graben für die Hochstromleitung aus, die in den nächsten Tagen gelegt werden soll. Nicht für OTM, nicht für das Geld denn unbezahlt sondern für den Fortschritt nach dem sie streben.

Freitag, 20. Mai 2011

Haitianischer Alltag

Die Haitianer

Als Angehörige unterschiedlicher afrikanischer Stämme sind die Bewohner Haitis allesamt von dunkler Haut und doch der regional verschiedenen Herkunft völlig unterschiedlich.

Das Essen
Die traditionelle Küche in Haiti ist sehr gesund. Man isst sehr viel gekochtes Gemüse, Reis, Bohnen, Yam, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Kochbananen. Weder Brot noch jegliche industrielle Produkte kommen auf den Tisch und Zucker nimmt man in Form von Obst zu sich. Davon gibt es aber reichlich! Über den ganzen Tag verteilt isst man frische Mangos, Bananen und Orangen, die man vom Baum am Wegesrand pflücken kann.

Das Geld
Die Währung in Haiti sind haitianische Gourden. Interessanterweise wird aber in Haiti-Dollars gerechnet, einer Währung, die nur auf dem Papier existiert. Im Geschäft, bei der Marktfrau, in der Bank bekommt man den Preis in dieser fiktiven Währung genannt und muss im Kopf umrechnen, um anschließend in Gourden zu bezahlen.

Die Fortbewegungsmittel
Alle öffentlichen Verkehrsmittel sind in privaten Händen. Wer es sich leisten kann, kauft sich ein Gefährt, das künstlerisch bemalt wird und in welchem er dann die Leute in der Gegend kutschiert und sich damit etwas verdient. Durch die Straßen von Port-au-Prince schieben sich unzählige der bunten, umgebauten Pickups, alten Schulbusse und die Lastwagen mitsamt deren Passagieren inklusive von Säcken voll Mehl, Getreide oder auch Beton als Gepäck.

Die Bildung
In Haiti gehen mittlerweile ca. 50% aller Kinder im Grundschulalter zur Schule. Damit liegt die Bildungssituation Haiti weit zurück im Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Ländern. Bis jetzt ist Bildung nicht kostenlos und selbst das Niveau der Privatschulen ist untragbar. Vier Klassen werden in einem Raum von einem Lehrer unterrichtet, der als einziger ein Buch besitzt. Oft sind keine  Tische vorhanden. Dass viele Kinder trotz Schulbesuch Analphabeten bleiben, ist deshalb nicht verwunderlich. Die Analphabetenrate liegt bei ca. 48%. Nur knapp 2% der jungen Leute schließen eine höhere Schule ab, woraus sich unter anderem die schlechte medizinische Versorgung ergibt.

Die medizinische Versorgung
Auf die ca. 9 Mio Einwohner Haitis (die Zahlen variieren stark) kommen 2.330 Ärzte. Lebt man z.B. in Gros Cheval, wo ich letzte Woche war, ist der nächste Arzt ca. 3 Stunden (mit dem Auto) entfernt. Linienbusse gibt es nicht. Wer zum Arzt muss und kein Auto findet, mit dem er mitgenommen wird, hat kaum andere Möglichkeit als sich mit Naturheilmitteln  zu helfen.

Die Bevölkerungsdemographie
Die Lebenserwartung liegt unter anderem wegen der medizinischen Versorgung bei 55 Jahren. Eine haitianische Frau bekommt im Durchschnitt 5 Kinder bei einer hohen Sterblichkeitsrate von 54%. Wegen diesem steten Nachwuchs bemisst sich das jährliche Bevölkerungswachstum auf ca. 2,3%.

Die Abholzung
Die hohe Bevölkerungsrate von 299 Einwohnern pro km (zum Vergleich Luxemburg mit 183/km²) trägt dazu bei, dass die hauptsächlich landwirtschaftlich arbeitenden Bewohner Haitis, ihre große Familien kaum ernähren können. Immer mehr Land wird brandgerodet. Deshalb gibt es in Haiti mittlerweile weniger als 2% Wald. Noch in den 60ern waren es 20%, weil die Kaffeeproduktion den Schatten von Bäumen brauchte. Als der Weltmarktpreis von Kaffee fiel, wurden stattdessen lieber die Felder gerodet und Yam, Maniok und Kartoffeln angebaut.
Die durch die Brandrodung entstandene Holzkohle wird zu einem guten Preis verkauft. Der entstandene Ackerboden ist nur das erste Jahr nach der Brandrodung fruchtbar, aber dem dritten Jahr ist er wertlos. Auch andere Böden, die nicht brandgerodet wurden, werden mit der Zeit ausgelaugt. Wegen dem hohen Bedarf, wird dem wenigen Boden pro Familie keine Zeit gelassen um sich zu erholen. Er wird trocken und kann den jährlichen Zyklonen nicht standhalten.

Wasserversorgung
Problematisch ist das für die Wasserversorgung. Die Bäume, die das Wasser durch ihre Wurzeln in den Boden leiten würden, fehlen nun. Ohne die schützenden Bäume und Pflanzen prallt das Regenwasser auf die trockene Erde und schwemmt sie mit sich, so dass nur der nackte Stein übrig bleibt. Regen und Erde werden zu gefährlichen Flutwellen, die das Land überschwemmen. Die Lebensgrundlage Wasser wird zur tödlichen Gefahr.
Trotz der Fluten wird das Wasser in Haiti knapp.
Ohne die leitenden Wurzeln der Bäume kommt der Regen nicht mehr im Boden an, die Quellen versiegen und die Flüsse trocken aus. Daraus erfolgt, dass die Felder nicht bestellt werden können und sich die Nahrungssituation weiter verschlechtert.

Urbanisierung
Weil auf dem Land die Versorgung nicht gewährleistet ist und es vor allem kaum Arbeitsplätze gibt, versuchen viele Haitianer in der Hauptstadt unterzukommen. Von den ca. 9 Mio. Haitianern lebt über ein Drittel in Port-au-Prince in der Hoffnung dort zu mehr Reichtum zu kommen. Die einst schöne Stadt wird zum Slum, in dem das Leben unerträglich wird. In dem Menschen sich kaum ernähren können und in Zelten und Hütten leben. Ohne Wasser, Strom, Sanitäranlagen oder Müllbeseitigung. Ab da geht es dann nur noch ums Überleben von dem heutigen Tag auf den staubigen Straßen Port-au-Princes.

Das Klima
Gerade in Port-au-Prince ist das Klima kaum auszuhalten. Es ist drückend heiss, zum Atmen ist die Lust zu dick und jeder Schritt wird zur Anstrengung. Obwohl die Autos ausnahmslos Geländewagen sind, kommt man auf den holperigen Straßen kaum vorwärts. Das und der ewige Stau bedingen, dass man für alles Stunden einplanen muss.
Auf dem Land ist es dafür recht angenehm. Die kühle Luft von Meer und die Höhe der Berge lassen das einen die feuchtwarme Atmosphäre sehr viel besser ertragen.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Im Land der verlassenen Kinder


Die Geschichte Haiti Haitis gleicht der Erdbebenwellen, die das Land immer wieder erschüttern. Ein Tiefschlag folgt dem anderen und die Menschen haben kaum Kraft wieder auf die Beine zu kommen. Es ist ein Land, dessen Urbevölkerung restlos ausgerottet und durch Sklaven ersetzt wurde. Obwohl weit weg von ihrer Heimat, fanden die auf den riesigen Plantagen arbeitenden Sklaven den Mut, sich gegen ihre Herren aufzulehnen. Inspiriert von den Idealen der französischen Revolution begannen die afrikanischen Sklaven 1791 ihren Freiheitskampf. Während der folgenden13 Jahre wurde die Sklaverei abgeschafft, wieder eingeführt und erneut abgeschafft, französische Truppen besetzten die Insel und wurden vertrieben. Die Spannungen zwischen den in Afrika geborenen Schwarzen und den Mulatten führten zum Bürgerkrieg. Erst nach der Besetzung und späteren Räumung des östlichen, spanischen Teiles der Insel, wurde 1804 die erste schwarze Republik proklamiert, die vielen anderen Kolonien zum Beispiel werden sollte.
Der erste Diktator von vielen
Unter dem grausamen Despoten Dessalines, der sich zum Kaiser krönte, wurden die Plantagen enteignet und unter der mulattischen Elite verteilt. Dessalines war klar, dass nur die Plantagenwirtschaft den Reichtum der ehemaligen Kolonie erhalten könnte. Die von der schwarzen Bevölkerung angestrebten Rechte auf eigenen Landbesitz machten einer neuen Sklaverei Platz. Schon 1806 kam es zu einem Staatsstreich und einem erneuten Bürgerkrieg zwischen Mulatten und Schwarzen. Das Land wurde geteilt in eine südliche, von Mulatten regierte Republik und eine nördliche, dem französischen Hofstaat nachgeahmte Monarchie unter Kaiser Henri. 1820 wurden nicht nur der südliche und der nördliche Teile Haitis, sondern auch der französische und der spanische Teil der Insel vereint.

Die Freiheit muss teuer bezahlt werden
Noch bevor die Teile wieder getrennt wurden, erkannte Frankreich die Unabhängigkeit Haitis an unter der Bedingung dass die ehemalige Kolonie eine Abfindung an die Plantagenbesitzer zahlen müsste. Unter militärischem Druck verpflichtete sich Haiti 150 Mio. Franc zu bezahlen, eine Schuldenlast, die den Staat noch bis in die 1950er lähmte. Diese Bürde erklärt unter anderem die extreme Abholzung in Haiti. Ein Teil der Schulden wurde mit Holz bezahlt, die Wälder verschwanden und machten kahlen Berghängen Platz die schnell zu Erosion und gefährlichen Felsrutschen führen.

Entwicklung unmöglich
Ende des 19. Jahrhunderts war Haiti ein völlig unterentwickeltes Land, in dem eine Industrialisierung nicht stattgefunden hat. Verhindert worden war sie vor allem durch die enorme Schuldenlast gegenüber Frankreich die über ein Jahrhundert einen steten Kapitalabfluss bedeutete. Ausländische Investoren wurden durch politische Instabilität, hohe Besteuerung, fehlenden Zugang zu internationalen Märkten, mangelhafte Infrastruktur, ein schlechtes Kreditsystem und die Korruption abgeschreckt.

US-Invasion 1915-1934
Die desolate Lage und die innere Zerrissenheit führten immer wieder zu Aufständen, denen die Amerikaner ab 1915 Einhalt gebieten wollten. Die für die Haitianer traumatische Besatzung endete 1934. Doch die Freiheit währte nicht lange.

Über Generationen nur Diktaturen
1957 wurde der schwarze Diktator Duvalier und 1971 sein Sohn vom Militär an die Macht geputscht, der grausame Massaker an der mulattischen Bevölkerung beging. Bis 1994 gab ein Putschist dem anderen die Klinke in die Hand. Misswirtschaft, Terror und Korruption bestimmten den Alltag der Haitianer.

Internationale Isolation
Von 1994 bis 2000 intervenierten die USA wieder, die Aristide als Präsidenten einsetzen. Auf die umstrittenen Wahlen folgte eine internationale Isolation Haitis. Die Krise endete 2004 mit dem Sturz Aristides. Seither sind internationale UN-Truppen in Haiti stationiert, die die Regierungsbildung überwachen sollen. Die Unruhen fanden dennoch kein Ende wodurch es zu schweren Versorgungskrisen kam. 2006 wurde  Preval in einer umstrittenen zum neuen Präsident ausgerufen. Auch er konnte an der prekären humanitären Lage nicht viel ändern, als Proteste gegen die gestiegenen Preise viele Tote fanden.

Erdbeben 2010
Noch vor dem Ende von Prevals Legislaturperiode suchte im Januar 2010 dann ein schweres Erdbeben den Inselstaat heim, der sicht nicht einmal bis zu den Knien aus der Misere hatte ziehen können. Die kaum bestehenden Institutionen fielen gänzlich zusammen und das haitianische Volk war wieder ohne Führung. Die Choleraepidemie war sicher nicht der erste Tropfen gewesen, der die Hoffnungslosigkeit zum Überlaufen gebracht hatte.
Hauptsächlich in Port-au-Prince sieht man die verheerenden Folgen. Die Menschen berichten mir, wie schön manche Gebäude noch vor etwas mehr als einem Jahr ausgesehen haben und ich kann mir diese maßlose Enttäuschung vorstellen, die diese Leute im Angesicht der Ruinen fühlen mussten. Sie wussten, dass kein Staat sich um sich kümmern würde. Sie wussten, dass sie ganz allein auf sich gestellt waren, bei einer Regierung, die selbst dringend Hilfe bräuchte.

Mutlosigkeit und Gleichgültigkeit
Wenn es keinen Staat gibt, gibt es auch keine Instanz, an die man sich wenden kann. Keine Justiz aber auch oft keine Elektrizität, keine öffentlichen Schulen oder Transport. Stattdessen liegen alle diese Bereiche in den Händen der Privatwirtschaft. Privatschulen machen aus der Lehre ein Business und versuchen so viele Schüler wie möglich zu halten, wenn es sein muss auch unter unmöglichen Lernbedingungen. Beim System des öffentlichen Nahverkehrs sieht es nicht anders aus. Auf den schlechten Straßen nehmen LKWs ihre Fahrgäste auf den Zementsäcken mit, Pickups werden zu bunt bemalten Taptaps umgebaut und Motorräder werden zu Mototaxis. Ich habe sie alle schon ausprobiert. Es gibt so gut wie nirgends fließendes Wasser und meistens auch keinen Strom. „Man gewöhnt sich daran“ sagen die Menschen, die keine andere Wahl haben, als sich mit der Situation abzufinden und noch etwas Positives zu entdecken.  
Oft kommen mir die Haitianer genauso naiv vor, wie ihre farbenfrohe Kunst und die Bibelsprüche nebst bunten Bemalungen auf den Verkehrsmitteln. Aber immer wieder muss ich daran denken, dass die Leute einfach sehr viel weniger Bildung zur Verfügung haben.
Die meisten Menschen im Land der verlassenen Kinder versuchen ihr eigenes Leben zu meistern und verbleiben in politischer Passivität: Von knapp vier Millionen Wahlberechtigten haben nur etwas mehr als eine Million eine gültige Stimme abgegeben. Für den populären Sänger Martelly stimmten gerade einmal 17 Prozent der Wahlberechtigten.

Fortschrittswillen
Und trotz all dieser Bremsklötze von Naturkatastrophen und Staatsschulden, von Regierungslosigkeit und Hungersnöten gibt es eine große Schicht junger Menschen mit einer klaren Vision, wie sie ihr Land aufbauen möchten. Es sind jene, die tags arbeiten und nachts studieren um sich am Wochenende für den Fortschritt einzusetzen. Es erinnert mich an Deutschland zur Nachkriegszeit und die übermenschliche Kraft, die die Kriegsverlierer aufbrachten um ihr Land aufzubauen. Es ist schön zu sehen, dass es aber auch voran geht. Wenn sich ein Dorfkomitee organisiert und klar ihre Ziele formuliert, wenn es 60 Leute zusammentrommelt um Kabel zu verlegen, wenn eine Dynamik zu spüren ist. Es ist schön zu merken, dass die Menschen wieder Hoffnung bekommen.

Die schönen Momente
Der Kontakt zu den Menschen hier macht Spaß. Erstens sind überall Menschen. Selbst wenn man einen entlegenen kleinen Weg entlang läuft trifft man spätestens nach 3 Minuten auf jemand anderen. Die Konversation verläuft dann immer so:

Bonjou. Kommon ou ye?  -> F : Comment vous êtes ? (Guten Tag, wie geht’s)
Bien. Grace à Dieu. E ou meme ? -> F : Et vous même? (Gut, Gott sei Dank. Und selbst ?)
Pa pi mal. Nous la. M'ap kembe. -> F : Pas trop mal. Nous sommes lá. Nous nous défondons. (Nicht so schlecht. Wir sind da. Wir schlagen uns durch.)
Daccord. Mwen alle. -> -> D’accord. Moi je vais partir. (Ok. Tschüss.)

Sonntag, 8. Mai 2011

Am Sonntag

Heute ist Sonntag und es ist drückend schwül. Aber alle haben sich besonders herausgeputzt in Anzügen und Kleidern geht ganz Haiti teilweise schon um 7 Uhr morgens in die Kirche. So gut wie jeder gehört mindestens einer Glaubensgemeinschaft an, wobei dir Dauer der Messe variiert. Bei den Katholiken sind es meist 2 Stunden, bei charismatischeren Gemeinschaften kann der Gottesdienst bis zu 7 Stunden dauern. Ich denke, dass die Haitianer aus den Treffen mit ihren Glaubensgeschwistern ihre Stärke ziehen. Niemand steht alleine da, jeder ist eingebunden in ein Netz von Familie und Bekannten. Selten sieht man haitianische Kinder alleine, sondern sie halten sich an den Händen, die Mädchen flechten sich gegenseitig die Haare, eine ganz fassbare Verbundenheit ist zu spüren, die dennoch das Fremde nicht ausschließt.
Nach einer holperigen Fahrt mit dem Unimoc, einem kleinen Lastwagen aus den deutschen Nachkriegsjahren, sind Henri, Felix und ich bei Jean und seiner Werkstatt angekommen, um die Pumpe zu reparieren. Das Atelier liegt in Leogane, einem Vorort von Port au Prince, an dem sich Hilfsorganisationen wir die giz und Croix Rouge niedergelassen haben. Wenn ich ihre unscheinbaren Büros sehe, die sich am Rand der großen Straße in den Süden reihen, wird mir klar, dass es eine überwältigende Aufgabe ist, ein Land von null auf aufzubauen, wenn grundlegende Strukturen fehlen. Und am wenigsten kann so etwas in einem Jahr geschehen. Die Nicht-Regierungsorganisationen bauen meist Schulen und Krankenhäuser, was natürlich durchaus vielen Menschen hilft. Aber um langfristige Hilfe leisten zu können, muss der Staat funktionieren und seine Aufgaben ernst nehmen. Die Hilfsorganisationen können einige Tropfen auf den heißen Stein schütten, was das Problem auch durchaus zu mildern vermag, solange sich die projektleitenden Mitarbeiter an die Gepflogenheiten an das Land anpassen. Das Gegenteil von Gut ist Gut gemeint. Ganz sicher meinen die meisten ihre Arbeit ganz gut und das Ergebnis ist es oft auch. Aber die Art wie die Haitianer sich von den Europäern behandelt fühlen, welche während ihres Kurzzeitaufenthaltes ihre Zeit so sinnvoll wie möglich füllen möchten und strukturiert aber auch sehr fordernd auftreten, müssen mit der ruhigen und auf Beziehungen basierenden Strukturen der haitianischen Kultur kollidieren. Ich stelle mir vor, dass die Arbeit der Helfer resigniert angenommen wird, die Haitianer im Grunde aber froh sind, wenn sie so weiterleben dürfen, wie sie es gerne wünschen.
Meines Erachtens kann langfristige Hilfe auch nur langfristig passieren. Mit Mitarbeitern aus dem hiesigen Land bzw. solchen, die sich entschließen mit den Einheimischen zu leben und sich an ihre Gepflogenheiten anzupassen. Ansonsten wandelt sich die Hilfe zu etwas, das von den kolonialistischen Strukturen wenig entfernt ist. Schnell wird aus dem Wunsch zu helfen eine bevormundende, besserwisserische Art anderen seine Handlungsweisen aufzudrängen.
Und das, wo wir auch nicht glücklich sind und so viel von den anderen lernen könnten.

Samstag, 7. Mai 2011

Die Pumpe ist kaputt

Um 5 Uhr aufzustehen ist hier keine Besonderheit. Die Sonne geht so schnell auf wie sie unter geht und um 6:30 beginnen wir schon zu arbeiten. Die Pumpe der Brüder ist seit 4 Monaten kaputt und keiner weiß so recht, wie man sie reparieren kann. Leider kenne ich mich mit den technischen Details nicht aus. 
Auf jeden Fall mussten wir von der Bergspitze bis hinunter ins Tal laufen.

Vor den vielen kleinen Hütten waren noch mehr Kinder zu sehen, die mich und meinen Fotoapparat unheimlich spannend fanden und immer wieder fotografiert werden wollten.
Das Viertel, in dem die Brüder wohnen, ist nach dem kalten Fluss benannt, der dort einmal floss. Die stete Abholzung des Landes hat aber nun dazu geführt, dass die Quellen vertrocknen und so auch aus dem Fluss nur noch ein kleiner Rinnsal geworden ist. Mir wird ganz deutlich bewusst, welche Auswirkungen die Abholzung für das Leben der Menschen auch in der Stadt hat und ich hoffe, dass die Wiederaufforstungsprojekte bald Früchte tragen.

Freitag, 6. Mai 2011

Ankunft in Haiti

Seit gestern Abend bin ich in Haiti und es kommt mir vor, als wäre ich schon sehr viel länger hier. Aber Zeit hat sowieso seine Bedeutung verloren. Hier geht es um das Leben im Hier und Jetzt.
Nach einer nicht zu enden scheinenden Reise, kamen wir schließlich doch am winzigen Flughafen in Port au Prince an. Ich war erstaunt, wie alles funktionierte und wie sehr sich die Wirklichkeit von den Bildern unterschied, die die Medien so gerne zeigen, wenn sie mal wieder die Entwicklungspolitik kritisieren, wenn sie Bilder von Zelten zeigen, die auch ein Jahr nach dem Erdbeben immer noch unverändert da stehen. Dass sie 10 Jahre vor dem Erdbeben auch schon so da standen, begriff ich erst, als wir mit dem Auto vom Flughafen nach Rivière Froide, einem Stadtteil von Port au Prince, gefahren wurden.
Die Hauptstadt bewohnen ca. 2,5 Millionen Menschen, so genau weiß das aber keiner. Ich hatte das Gefühl mindestens die Hälfte davon auf jener abendlichen Autofahrt durch die unendlichen Vorstädte angetroffen zu haben. Obwohl es ab 18 Uhr schon stockdunkel ist, sind die breiten Straßen noch voller Mofas, kunstvoll bemalter Busse aber vor allem sind es die Menschen, die die Straßen füllen. Da werden Dinge gekocht und verkauft, allerlei Straßenhändler bieten ihre Ware feil, die sie auf ihrem Kopf tragen, Kinder springen Seil oder spielen andere Spiele. Die Straßen haben solche Löcher, dass selbst die Achsen unseres Geländewagens hier brechen würden, weswegen dann die Autos größere Ausweichbögen über die Gegenfahrbahn machen müssen. Wo diese ganzen Menschen wohnen, kann man sich kaum erklären, sicher aber in den vielen winzigen Hütten, an den Berghängen Port-au-Princes. Durch das Erdbeben wurden viele diese kleinen, nicht erdbebensicher gebauten Baracken zerstört und durch Zelte ausgetauscht. Aber auch die Stadtteile, die nicht vom Erdbeben betroffen waren, sehen kaum anders aus. Und so wundere ich mich, wie diese Leute, die augenscheinlich in Blechhütten wohnen, ihre leuchtend bunten Kleider, so sauber und neu halten. Es scheint mir, als hätten sie jeden Tag einen besonderen Anlass um sich schön zu machen und aus Haltung und Gesichtsausdruck sprechen Stolz und die den Haitianern eigene Fröhlichkeit.
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass man vom dem Erdbeben auf den ersten Blick nur noch wenig Zeichen sieht. Die Leute mit den nötigen Mitteln haben ihre Häuser längst wieder aufgebaut.
Dass Haiti trotzdem immer noch Hilfe braucht ist unumstritten. Aber es ist eine andere Art von Hilfe. Es geht hier weniger um Wiederaufbau sondern Hilfe zum Aufbau.
Und das muss in erster Linie auf politischer Ebene passieren. Aber dazu bald mehr.

Bei unseren Projektpartnern, der Glaubensgemeinschaft „Petits Frères des St. Thérèse“ in Port au Prince, werden wir mit der für Haitianer üblichen Herzlichkeit empfangen, durch die man sich willkommen fühlt.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Ab morgen in Haiti

Ab Anfang Mai 2011 werde ich für einen Monat für Objectif Tiers Monde in Haiti arbeiten. Unsere Hilfsorganisation unterstützt seit 25 Jahren in Haiti Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen. Ich selbst bin seit Dezember 2010 dabei und kümmere mich um die Kommunikation, die Öffentlichkeitsarbeit, die Sensibilisierung in den Schulen und vieles mehr. In Haiti werde ich unter anderem die Projekte filmisch und photographisch festhalten, werde Interviews führen und aufnehmen um den Austausch zwischen Luxemburg und Haiti, dem reichsten Land der Welt und dem ärmsten, voranzubringen.