Am Montag war
ich dementsprechend nicht zu gebrauchen. Wieder wäre ich gern nur im Bett
geblieben aber wieder gab es etwas, wo ich nicht fehlen wollte: eine
Beerdigung. Die Mutter meiner süßen, kleinen Bernadette ist in der Nacht leider
gestorben. So etwas passiert hier öfters. Die Frauen haben meistens 5-8 Kinder
und sterben oft früh. Auch Bernadettes Mutter hinterließ 7 Kinder. Ich habe
später aber gehört, dass die beiden kleinen von einer anderen Frau sind. Nun,
wie dem auch sei, war es eine traurige und doch einmalige Angelegenheit. Ein
Tuch war in den Palmen gespannt. Der hölzerne Sarg stand da. Die Leute saßen
anfangs hier und da, viele spielten Domino um Geld. So als wollte man dem Ganzen die Tragödie nehmen. Als wollte man sagen, das Leben geht weiter. Eine Beerdigung ist eigentlich ein soziales Event, das Spiel ist eine Art, um die Leute bei Laune zu halten, erklärt mir ein Bruder.
Dann begann der Prediger
und sprach einige Worte. Die Leute, die hauptsächlich in weiß gekleidet waren,
sangen die Totenmesse. Dann wurden die drei kleinen Kinder nacheinander über
den Sarg gereicht. Ein Bruder erklärte mir, dass die Toten Macht über die
lebenden Kinder hätten und sie umbringen könnten. Z.B. könnte es sein, dass die
tote Mutter ihr Kinder leiden sieht und es lieber zu sich holen würde, als es
seinem Schicksal zu überlassen. Da nun aber die Kinder über den Sarg der Mutter
gehoben wurden, hätten sie Macht gegenüber der Mutter.
Und dann
geschah es: die älteste Tochter kippte um und schlug wild um sich. Man musste
sie festhalten. Sie schrie und schrie. Ich nahm Reißaus.. Sofort danach wurde
der Sarg zum kleinen, familieneigenen Friedhof auf dem kleinen Hügel direkt
neben Haus getragen und in die Erde eingelassen. Steine wurden daraufgelegt und
Sand. In wenigen Tagen würde ein Betongrab darauf gefertigt werden.
Abends war ich
fertig mit den Nerven. Ich wollte mit niemandem sprechen. Als mich ein Bruder
ein bisschen aufzog mit dem Ortsnamen Gros Cheval“ – „Dickes Pferd“, reagierte
ich mit einem kalten Schweigen. Oohoh, er kam zweimal deshalb zu mir hoch (ohne
mich aufzufinden) und versuchte mich über Facebook zu kontaktieren. Am nächsten
Tag kam er auf mich zu und entschuldigte sich. Ihm sei es ganz schlecht
gegangen, er habe mich nicht verärgern wollen. Ich selbst, total erschöpft
musste fast weinen. Es gab ja keinen Grund, ich war einfach nur müde und hatte
in dem Moment den Witzeleien nicht standhalten können. Die Haitianer sind da so
anders als wir. Es erscheint mir, als wäre ihr Herz weiter geöffnet, als hätten
sie einen viel direkteren Zugang zu ihren Emotionen. Wenn ihnen etwas nicht
passt, merkt man es sofort. Entweder dadurch, dass sie es sagen oder einfach
nicht machen. Aber sie würden sich nicht totarbeiten um dann einen „Burnout“ zu
haben. Arbeit ist wichtig, aber Leben noch wichtiger. Miteinander sprechen,
lachen, leben.
Dem Bruder
versprach ich, in Zukunft sofort etwas zu sagen, wenn ich verletzt bin oder mir
etwas nicht passt. Damit wir darüber diskutieren können. Abgemacht! Für mich
ist das eher schwierig, die ich oft lieber mit Flucht reagiere. Aber ich merke,
dass ich hier noch viel von den Menschen und ihrem Umgang miteinander lernen
kann.
Ich setze das
auch um. Als mich Jungs mit „Blanc“ ansprechen, sage ich, ich würde Magdalena heißen.
Ich bin hier im Gespräch oft die Weiße. Das ist lustig, ich verstehe und
spreche ja Kreol. Also wenn über mich gesprochen wird, dann heiße ich Blanc.
Oder die Leute, die mich nicht kennen, rufen mich so. aber mittlerweile fühle
ich mich nicht mehr weiß, weil die anderen mir nicht schwarz erscheinen. Die Menschen
hier, die ursprünglich aus verschiedenen Teilen Afrikas als Sklaven hierher
importiert wurden, sind so vielfältig wie wir selbst. Manche haben breite
Nasen, andere schmale. Manche sind ganz hell, andere dunkel. Nur ich selbst bin
noch weißer. Das merke ich aber nur, wenn an mir herunterschaue. Dann fühle ich
mich unpassend. Denn durch das strahlende Licht hier wirkt man noch weißer. Aber
das geht mit der Zeit aucu ein wenig weg.