Freitag, 28. Februar 2014

N'ap danse! Es wird getanzt!



Am Freitag holte mich Contave morgens ab, damit ich die Bauern bei der Arbeit filmen könnte. Wieder stiegen wir über steilste Berge. Ich kann ja eigentlich gut klettern, aber das war so steil und rutschig, dass er mich manchmal festhalten musste. Die Leute bearbeiten in der Steillage ihre Hänge, die nicht weniger steil sind als unsere Weinberge. Eben nur mit Erde und kleinen Steinen.
Nach dem ich prächtige Bilder aufgenommen habe, ging es für mich in die Grundschule. Da wurde heute Karneval gefeiert. 
DJ Amenor, auch ein alter Freund von OTM, hatte seine großen Boxen aufgedreht und im Umkreis von einem Kilometer war nun laute Musik zu hören. Die Kinder wurden mit Wasserfarben angepinselt und wir tanzten, was das Zeug hält. Auch die Lehrer und der Direktor machten mit. Ich tanzte mit den Kindern und verabschiedete mich dann auf Creol von ihnen. Ach herrje, ich hab sie so lieb gewonnen. Aber sie bleiben mir ja, wenn ich wiederkomme, werden sie mich nicht vergessen haben. Das ist sicher!
Noch ein Interview und dann geht’s ab nach Palmiste à Vin. Hier wird am Wochenende eine Fortbildung für unsere Partner stattfinden.

Donnerstag, 27. Februar 2014

Haitianische Landwirtschaft



Am Donnerstag war ich um 6 Uhr morgens bei der männlichen Hauptrolle meines Kinderfilms. So ein schönes Licht scheint um diese Uhrzeit. Meine Aufnahmen sind eine Wonne. Ich habe den Jungen gefilmt bei der Morgentoilette, beim Frühstück, beim Weg zur Schule. Nachmittags sollte ich um 14h wiederkommen um auch seinen Nachmittag zu begleiten. Ich war da. Die 5 Söhne von Contave plus die 4 Söhne seines Bruders waren alle da. 
Erst wurde Fußball gespielt, dann führte mich Bernardo durch die ganze Landschaft. Es ist wirklich so eine starke Geschlechterteilung. Die Mädchen kümmern sich schon ganz früh um die kleinen Geschwister, die Jungen lernen Kartoffeln, Maniok, Yam, Bohnen und Bananen zu pflanzen und zu ernten. Es war spannend alles erklärt zu bekommen. Wir stiegen schmalste Wege hinab mit kleinen Steinen, auf denen man schnell rutscht. Bernardo war unglaublich freundlich und ich sah schönste Landschaften in der Abendsonne.

Mittwoch, 26. Februar 2014

Kaffee



Ich wollte ja die Voodoo-Session sehen, obwohl ich doch etwas Respekt hatte. Um 7:30 war ich bei der Familie. Kein Vater war da. Ich filmte die Mutter beim Kaffee kochen. Eine Angelegenheit, die ca. 40 Minuten dauert, bis die Kohle brennt, das Wasser kocht. Dann wird es mehrfach durch einen Stumpf mit Kaffee geschüttet. Viel viel Zucker kommt dann dazu. Ich wollte den Leuten nichts wegtrinken, also probierte ich nur ein wenig um meinen guten Willen zu zeigen. Der Vater war mittlerweile auch wieder da. Er hatte die Rinder und Ziegen an einem anderen Ort angebunden.
Das mit dem Voodoo hatte ich nicht ganz richtig verstanden. Er mache das meistens bei den Leuten zu Hause. Aber wenn er nochmal so etwas machen würde, würde er mich rufen lassen.
Ich marschierte also wieder zurück zu unserem kleinen Zentrum, das aus Grundschule, neuem Gebäude, Kirche und Berufsschule besteht.
In der Berufsschule machte ich Interviews und sprach dann mit dem Direktor der Grundschule. Für meinen Kinderfilm hatte ich mir so ausgedacht, dass ich auch das Leben von einem Jungen zu Gesicht bekäme. Vielleicht einem Bruder des Mädchens. Aber irgendwie will ich die Familie nicht mehr so viel bemühen. Also fragte ich den Direktor, ob er nicht in der 6. Klasse nachfragen könnte, ob ein Junge mir sein Leben zeigen wollte. Mensch, hätte ich es nur immer so gemacht. Klar! So geht’s!
Also Bernardo wollte mir alles zeigen. Sein Onkel ist Contav und arbeitet schon seit Langem im Wasserprojekt mit. Die Türen waren offen. Ich ging nachmittags einmal zum Haus, das gar nicht weit weg von dem der Brüder ist, um alles abzusprechen. Sehr freundlich wurde ich empfangen. Am nächsten morgen sollte ich um 6 Uhr da sein.

Dienstag, 25. Februar 2014

Dienstag ist Markttag



Es war geplant, dass ich morgens mit Dwarensises Mutter und den beiden kleinen Mädchen auf den Markt gehen würde. Weil die Uhrzeit nicht so richtig abgesprochen war, lief ich morgens schnell mal zu ihrem Haus (20 min). Sie meinte, sie würde in 15 Minuten gehen. Ich lief also zurück zur Schule und wartete und wartete. Keine Mutter kam. Um 12:30 kam der Vater zur Schule und mit den beiden Mädchen, sowie einem Jungen gingen wir zum Markt.
Auf dem Weg sahen wir zwei Männer, die Bohlen schnitten. Dwarensises Vater machte für die Kamera mal 3 Minuten mit, ließ dann aber ganz schnell wieder. Er erzählte mir ganz offen, dass er Voodoopriester sei und sein Geld „mit den Mysterien“ verdiente. Was er mit dann von „Transportationen der Geister“ erzählte, hab ich nicht so ganz verstanden, da er nur Creole sprach. Aber auf jeden Fall machte er Schwarze Magie und habe das in Artibonite bei einem Priester gelernt.

Nach 30 Minuten Fußmarsch waren wir dann da. Ich fragte ihn, ob ich ihn einmal bei seiner Arbeit begleiten könnte. „Ja!“ sagte er, als habe er darauf gewartet. „Morgen um 7!“
Ich kenne den Markt schon von meinen letzten Besuchen, aber für meinen Film ist es ein großer Spaß. Ja, was soll ich euch sagen. Die Verkäufer sitzen rechts und links auf Plastikeimer und auf dem Boden oder in Säcken bieten sie ihre Ware feil. Reis, Linsen, Bohnen, Fleisch.
Zurück fuhren wir mit dem Motorrad. 25 Gourden, also 50 Cents kostet die Fahrt für jeden. Ein teurer Spaß für die Leute hier.


Montag, 24. Februar 2014

Beerdigung



Am Montag war ich dementsprechend nicht zu gebrauchen. Wieder wäre ich gern nur im Bett geblieben aber wieder gab es etwas, wo ich nicht fehlen wollte: eine Beerdigung. Die Mutter meiner süßen, kleinen Bernadette ist in der Nacht leider gestorben. So etwas passiert hier öfters. Die Frauen haben meistens 5-8 Kinder und sterben oft früh. Auch Bernadettes Mutter hinterließ 7 Kinder. Ich habe später aber gehört, dass die beiden kleinen von einer anderen Frau sind. Nun, wie dem auch sei, war es eine traurige und doch einmalige Angelegenheit. Ein Tuch war in den Palmen gespannt. Der hölzerne Sarg stand da. Die Leute saßen anfangs hier und da, viele spielten Domino um Geld. So als wollte man dem Ganzen die Tragödie nehmen. Als wollte man sagen, das Leben geht weiter. Eine Beerdigung ist eigentlich ein soziales Event, das Spiel ist eine Art, um die Leute bei Laune zu halten, erklärt mir ein Bruder.
Dann begann der Prediger und sprach einige Worte. Die Leute, die hauptsächlich in weiß gekleidet waren, sangen die Totenmesse. Dann wurden die drei kleinen Kinder nacheinander über den Sarg gereicht. Ein Bruder erklärte mir, dass die Toten Macht über die lebenden Kinder hätten und sie umbringen könnten. Z.B. könnte es sein, dass die tote Mutter ihr Kinder leiden sieht und es lieber zu sich holen würde, als es seinem Schicksal zu überlassen. Da nun aber die Kinder über den Sarg der Mutter gehoben wurden, hätten sie Macht gegenüber der Mutter.
Und dann geschah es: die älteste Tochter kippte um und schlug wild um sich. Man musste sie festhalten. Sie schrie und schrie. Ich nahm Reißaus.. Sofort danach wurde der Sarg zum kleinen, familieneigenen Friedhof auf dem kleinen Hügel direkt neben Haus getragen und in die Erde eingelassen. Steine wurden daraufgelegt und Sand. In wenigen Tagen würde ein Betongrab darauf gefertigt werden.
Abends war ich fertig mit den Nerven. Ich wollte mit niemandem sprechen. Als mich ein Bruder ein bisschen aufzog mit dem Ortsnamen Gros Cheval“ – „Dickes Pferd“, reagierte ich mit einem kalten Schweigen. Oohoh, er kam zweimal deshalb zu mir hoch (ohne mich aufzufinden) und versuchte mich über Facebook zu kontaktieren. Am nächsten Tag kam er auf mich zu und entschuldigte sich. Ihm sei es ganz schlecht gegangen, er habe mich nicht verärgern wollen. Ich selbst, total erschöpft musste fast weinen. Es gab ja keinen Grund, ich war einfach nur müde und hatte in dem Moment den Witzeleien nicht standhalten können. Die Haitianer sind da so anders als wir. Es erscheint mir, als wäre ihr Herz weiter geöffnet, als hätten sie einen viel direkteren Zugang zu ihren Emotionen. Wenn ihnen etwas nicht passt, merkt man es sofort. Entweder dadurch, dass sie es sagen oder einfach nicht machen. Aber sie würden sich nicht totarbeiten um dann einen „Burnout“ zu haben. Arbeit ist wichtig, aber Leben noch wichtiger. Miteinander sprechen, lachen, leben.
Dem Bruder versprach ich, in Zukunft sofort etwas zu sagen, wenn ich verletzt bin oder mir etwas nicht passt. Damit wir darüber diskutieren können. Abgemacht! Für mich ist das eher schwierig, die ich oft lieber mit Flucht reagiere. Aber ich merke, dass ich hier noch viel von den Menschen und ihrem Umgang miteinander lernen kann.
Ich setze das auch um. Als mich Jungs mit „Blanc“ ansprechen, sage ich, ich würde Magdalena heißen. Ich bin hier im Gespräch oft die Weiße. Das ist lustig, ich verstehe und spreche ja Kreol. Also wenn über mich gesprochen wird, dann heiße ich Blanc. Oder die Leute, die mich nicht kennen, rufen mich so. aber mittlerweile fühle ich mich nicht mehr weiß, weil die anderen mir nicht schwarz erscheinen. Die Menschen hier, die ursprünglich aus verschiedenen Teilen Afrikas als Sklaven hierher importiert wurden, sind so vielfältig wie wir selbst. Manche haben breite Nasen, andere schmale. Manche sind ganz hell, andere dunkel. Nur ich selbst bin noch weißer. Das merke ich aber nur, wenn an mir herunterschaue. Dann fühle ich mich unpassend. Denn durch das strahlende Licht hier wirkt man noch weißer. Aber das geht mit der Zeit aucu ein wenig weg.