Montag, 24. Februar 2014

Beerdigung



Am Montag war ich dementsprechend nicht zu gebrauchen. Wieder wäre ich gern nur im Bett geblieben aber wieder gab es etwas, wo ich nicht fehlen wollte: eine Beerdigung. Die Mutter meiner süßen, kleinen Bernadette ist in der Nacht leider gestorben. So etwas passiert hier öfters. Die Frauen haben meistens 5-8 Kinder und sterben oft früh. Auch Bernadettes Mutter hinterließ 7 Kinder. Ich habe später aber gehört, dass die beiden kleinen von einer anderen Frau sind. Nun, wie dem auch sei, war es eine traurige und doch einmalige Angelegenheit. Ein Tuch war in den Palmen gespannt. Der hölzerne Sarg stand da. Die Leute saßen anfangs hier und da, viele spielten Domino um Geld. So als wollte man dem Ganzen die Tragödie nehmen. Als wollte man sagen, das Leben geht weiter. Eine Beerdigung ist eigentlich ein soziales Event, das Spiel ist eine Art, um die Leute bei Laune zu halten, erklärt mir ein Bruder.
Dann begann der Prediger und sprach einige Worte. Die Leute, die hauptsächlich in weiß gekleidet waren, sangen die Totenmesse. Dann wurden die drei kleinen Kinder nacheinander über den Sarg gereicht. Ein Bruder erklärte mir, dass die Toten Macht über die lebenden Kinder hätten und sie umbringen könnten. Z.B. könnte es sein, dass die tote Mutter ihr Kinder leiden sieht und es lieber zu sich holen würde, als es seinem Schicksal zu überlassen. Da nun aber die Kinder über den Sarg der Mutter gehoben wurden, hätten sie Macht gegenüber der Mutter.
Und dann geschah es: die älteste Tochter kippte um und schlug wild um sich. Man musste sie festhalten. Sie schrie und schrie. Ich nahm Reißaus.. Sofort danach wurde der Sarg zum kleinen, familieneigenen Friedhof auf dem kleinen Hügel direkt neben Haus getragen und in die Erde eingelassen. Steine wurden daraufgelegt und Sand. In wenigen Tagen würde ein Betongrab darauf gefertigt werden.
Abends war ich fertig mit den Nerven. Ich wollte mit niemandem sprechen. Als mich ein Bruder ein bisschen aufzog mit dem Ortsnamen Gros Cheval“ – „Dickes Pferd“, reagierte ich mit einem kalten Schweigen. Oohoh, er kam zweimal deshalb zu mir hoch (ohne mich aufzufinden) und versuchte mich über Facebook zu kontaktieren. Am nächsten Tag kam er auf mich zu und entschuldigte sich. Ihm sei es ganz schlecht gegangen, er habe mich nicht verärgern wollen. Ich selbst, total erschöpft musste fast weinen. Es gab ja keinen Grund, ich war einfach nur müde und hatte in dem Moment den Witzeleien nicht standhalten können. Die Haitianer sind da so anders als wir. Es erscheint mir, als wäre ihr Herz weiter geöffnet, als hätten sie einen viel direkteren Zugang zu ihren Emotionen. Wenn ihnen etwas nicht passt, merkt man es sofort. Entweder dadurch, dass sie es sagen oder einfach nicht machen. Aber sie würden sich nicht totarbeiten um dann einen „Burnout“ zu haben. Arbeit ist wichtig, aber Leben noch wichtiger. Miteinander sprechen, lachen, leben.
Dem Bruder versprach ich, in Zukunft sofort etwas zu sagen, wenn ich verletzt bin oder mir etwas nicht passt. Damit wir darüber diskutieren können. Abgemacht! Für mich ist das eher schwierig, die ich oft lieber mit Flucht reagiere. Aber ich merke, dass ich hier noch viel von den Menschen und ihrem Umgang miteinander lernen kann.
Ich setze das auch um. Als mich Jungs mit „Blanc“ ansprechen, sage ich, ich würde Magdalena heißen. Ich bin hier im Gespräch oft die Weiße. Das ist lustig, ich verstehe und spreche ja Kreol. Also wenn über mich gesprochen wird, dann heiße ich Blanc. Oder die Leute, die mich nicht kennen, rufen mich so. aber mittlerweile fühle ich mich nicht mehr weiß, weil die anderen mir nicht schwarz erscheinen. Die Menschen hier, die ursprünglich aus verschiedenen Teilen Afrikas als Sklaven hierher importiert wurden, sind so vielfältig wie wir selbst. Manche haben breite Nasen, andere schmale. Manche sind ganz hell, andere dunkel. Nur ich selbst bin noch weißer. Das merke ich aber nur, wenn an mir herunterschaue. Dann fühle ich mich unpassend. Denn durch das strahlende Licht hier wirkt man noch weißer. Aber das geht mit der Zeit aucu ein wenig weg.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.