Mittwoch, 5. März 2014

Wäsche waschen und Abschied nehmen



Nun war wirklich mein letzter Tag gekommen. Ich hatte den Abschied immer noch hinausgezögert. Ich besuchte Dwarnsises 16jähriger Schwester beim Wäschewaschen. Das macht sie von 8 Uhr bis 18h gemeinsam mit ihrer anderen Schwester. Da heute Aschermittwoch und ein Feiertag ist, hat sie Zeit dafür. Eigentlich geht sie in die Schule und möchte einmal Ärztin werden. Ein Traumberuf der meisten Mädchen. Alternative: Krankenschwester. Die Jungs möchten Doktoren oder Ingenieure werden. Die meisten werden aber wahrscheinlich genauso enden wie ihre Eltern. Als Bauern oder Marktfrauen.
Die Rollen sind hier noch klar definiert. Die Frau kümmert sich ums Kochen, Wäsche waschen, Kinder aufziehen und vielleicht hier und da etwas verkaufen. Die Männer arbeiten auf den Feldern. Für gewöhnlich haben die Männer auch etwas mehr Bildung. Sie kaufen sich Smartphones und öffnen ihren Horizont dank des Internets. Die Frauen bleiben oft ein bisschen stehen, so empfinde ich es. Vielleicht auch weil sie damals nicht zur Schule gegangen sind. Es ist spannend zu sehen, was aus den jetzigen Mädchen wird, die momentan zur Schule gehen. Ob sie sich mit dem Leben als Hausfrau abgeben werden oder ob sie es schaffen, dort hinaus zu kommen? Am Willen mangelt es sicher nicht. Aber an den finanziellen Möglichkeiten die Tochter auf die Universität zu schicken.
Auf jeden Fall merkt man der Jugend den Durst nach Entwicklung an. Natürlich haben die meisten Internetzugang, wenn auch nur sporadisch. Sie möchten auch die Dinge machen und bezahlen können, wie die westliche Welt. Sie möchte reisen. Viele träumen von einem Leben in den USA: Aber ein Ausreisevisum zu bekommen ist sehr schwer. Selbst wenn es nur für ein paar Wochen ist. Haiti steht auf der roten Liste, die Ausreisebestimmungen sind stark reglementiert. Wer ein Visa möchte, braucht einen Bürgen im Gastland. Eine Wohnung, eine Versicherung. Er muss einen Arbeitsplatz in Haiti vorweisen usw. usw.
Gut nachzuvollziehen ist es, wenn Dwaronsise mich (halb im Spaß natürlich)  fragt, ob ich sie nicht in meinem Rucksack mitnehmen könne. Sie würde mir auch jeden Tag meine Haare flechten. Da musste ich lachen. Aber ihre Worte waren so herzlich. Als ich ihr mein kleines Geschenk übergab, sagte sie: „Jetzt hast du uns Geschenke gemacht und wir haben nichts, das wir dir geben könnten. Unsere nächsten Tage werden von Trauer erfüllt. Wir werden an dich denken.“ Für mich ungewohnt, solche Worte aus dem Munde eines Kindes zu hören.
Aber Kinder sind hier sowieso weiter als bei uns. In frühster Kindheit nehmen sie eine wichtige Rolle im Gefüge ein. Sie haben ihren Platz und ihre Wichtigkeit. Sie werden unglaublich geliebt aber auch zurechtgewiesen (notfalls mit Schlägen). Kinder müssen mithelfen, aber bekommen dadurch auch eine Bestätigung, weil sie gebraucht werden. Und da die Kinder ihre Arbeit immer in Gemeinschaft mit anderen Kindern erledigen, wird daraus ein Spiel.
Kinder scheinen aber auch generell schneller erwachsen zu werden, was daran liegen mag, dass sie Sexualität schon in frühsten Jahren erleben. Wen die Hütte klein ist, bekommen die Kinder den Geschlechtsverkehr der Erwachsenen mit. Nicht aufgeklärt probieren sie das auch aus. Und nicht selten werden dann 11 jährige Mädchen schwanger. Da die Mutter selbst auch noch im gebärfähigen Alter ist, werden dann diese Enkel miterzogen wie die eigenen Kinder. Die Mädchen gehen dann wieder zur Schule.
Sexualunterricht wird erst ab der 7. Klasse gegeben, wo die meisten schon 14 Jahre alt sind und bereits alles Nötige wissen.
Wenn ich hier arbeiten würde, würde ich ein Krankenhaus aufbauen und eine weiterführende Schule. Ich würde mit den Frauen und Männern über Verhütung reden (oder reden lassen). Denn auch die Männer wollen keine 10 Kinder ernähren. Nur ist ein Kind zu schnell in die Welt gesetzt, wenn es keine Verhütungsmöglichkeiten gibt. Ein ganz wichtige Punkt, an dem hier noch gearbeitet werden muss.


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