Freitag, 28. März 2008

Die Kunst, das Leben zu verkomplizieren

Generell finde ich das Leben etwas kompliziert hier. Nichts geht einfach so, überall gibt es Verbote. In Deutschland hört man oft wie die Leute gegen die deutsche Bürokratie wettern. Jenen würde ich raten einmal nach Lateinamerika zu kommen.

So ist es zum Beispiel gar nicht so einfach ein Buch im Geschäft zu kaufen. Mindestens zwei bis drei Verkäuferinnen sind damit beschäftigt Zettelchen und Quittungen auszufüllen. Nachdem man sich etwas im Geschäft ausgesucht hat, kriegt man von der einen Verkäuferin zunächst ein handschriftlich ausgefülltes Zettelchen auf dem Preis und Artikel stehen. Mit dem geht man zu Dame 2 an der Kasse, bezahlt. Manchmal wird das Buch noch von Dame 3 eingepackt und mit einem neuerlichen Zettel darf man sich die gekaufte Ware dann wieder bei Dame 1 abholen.

Ich finde das alles schon manchmal anstrengend, glaube aber zurückführen zu können woher diese Art das Leben anzugehen kommt. Ein bisschen hat das auch mit dem Thema meiner Masterarbeit zu tun. Die Menschen hier haben seit sie denken können in einer Diktatur gelebt, in der niemand etwas entscheiden durfte, in der es immer einen Vorgesetzen gab. In der niemand Verantwortung hatte, aber auch sein Leben nicht in die Hand nehmen durfte. Zwar ist die Diktatur vorbei, die Strukturen gibt es jedoch noch. Niemand glaubt etwas selbst entscheiden zu dürfen, immer verweist man auf einen Chef.

Zudem sind viele ungebildet. Klar, dass einer es nicht wagt, etw selbst zu entscheiden, wenn er nicht ausmachen kann, welche Konsequenzen das haben könnte, wenn er Angst um seine Arbeitsstelle hat.

Hier noch ein paar Beispiele, wie man sich das Leben verkomplizieren kann:

Beispiel Nr.1: Heute war ich in der Universidad Nacional de Asunción (UNA).Ein wunderschoener Regenwald-Campus mit suptropischem Klima. Ich bin dorthin gefahren, weil ich mir gerne Bücher für meine Masterarbeit ausleihen wollte. Aber ein solch einfaches Vorhaben kann in Paraguay schon etw komplizierter werden. Zunächst durfte ich ja sowieso keine Bücher ausleihen. Deswegen begleitete mich mein Mitbewohner Lukas, ein argentinischer Architekturstudent im Austauschsemester. Die Bücher sucht man sich natürlich nicht selbst (wie könnte man etwas eigentständig machen dürfen in Paraguay). Ein Angestellter sucht einem das Buch. Anschauen darf man es sich nicht einfach so. Erst muss der Pass hinterlegt werden. Um ein Buch auszuleihen, musste Lukas erst seinen Studentenausweis kopieren, die Angestellten ließen ihn bei irgendeiner Stelle verifizieren, er musste Papiere ausfüllen und nochmals Papiere bis wir dann schließlich Bücher ausleihen konnten. Aber maximal drei. Weil zu viele Studenten von seiner Fakultät schon Bücher ausgeliehen haben und die erstmal zurückgegeben werden müssten, bevor neue ausgeliehen werden können. Dann wollte ich gerne aus zwei Büchern Fotokopien machen. Nein, das ist verboten. Wie konnte es anders sein. Entweder konnte ich also die zwei Bücher ausleihen, zur Fotokopierstelle laufen, wieder zurückkommen, die Bücher zurückgeben und meine drei Bücher ausleihen. Ansonsten hätte mich einer des überzähligen Personals begleitet. Man hat ja sonst nichts zu tun. Ich wählte erste Möglichkeit, lief zum Kopierraum, dort warteten die Leute, die für einen kopierten, lief wieder zurück zur Bib, in einem aufwenigen Karteikartensystem wurde dann die Bücher ausgeliehen, dass ich genau in einer Woche zurückgeben muss. Fast zwei Stunden hat die ganze Prozedur gedauert…ich sag nur, Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Beispiel Nr.2: Ich habe kein richtiges Licht in meinem Zimmer und so ist abends ziemlich dunkel. Lampen haben sie in dem riesigen Supermarkt nicht, der fast so viele Mitarbeiter beschäftigt wie er Artikel hat, sondern nur Verlängerungskabel. So eins hatte ich gestern gekauft. Weil das doch nicht das richtige war, wollte ich dieses heute gegen ein anderes umtauschen. Wieder ein Ding der Unmöglichkeit… Der Mitarbeiter marschierte mit mir durch das Geschäft zum Chef. Jener lief mit mir wieder herum, telefonierte, ging schließlich zur Kasse. Aber dummerweise war dieser neue Artikel jetzt günstiger als der erst gekaufte. Das ging natürlich nicht. Ich sollte mir noch etwas kaufen, damit sie mir kein Geld raus geben mussten. Aber wie macht man das nun, fragten sich die Kassiererinnen… jetzt musste ich ja weniger für den zweiten Artikel bezahlen wegen der Differenz zwischen den Verlängerungskabeln... Zu zweit haben sie dann wild her gerechnet, bis sie dann endlich raushatten, wieviel ich zurückbekomme. Aber so lange ich darüber noch lachen kann, ist alles fein.

1 Kommentar:

  1. Na toll, ich hàtte nach Dame 2 schon zugeschlagen ;-) Pegg

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