Sonntag, 8. Mai 2011

Am Sonntag

Heute ist Sonntag und es ist drückend schwül. Aber alle haben sich besonders herausgeputzt in Anzügen und Kleidern geht ganz Haiti teilweise schon um 7 Uhr morgens in die Kirche. So gut wie jeder gehört mindestens einer Glaubensgemeinschaft an, wobei dir Dauer der Messe variiert. Bei den Katholiken sind es meist 2 Stunden, bei charismatischeren Gemeinschaften kann der Gottesdienst bis zu 7 Stunden dauern. Ich denke, dass die Haitianer aus den Treffen mit ihren Glaubensgeschwistern ihre Stärke ziehen. Niemand steht alleine da, jeder ist eingebunden in ein Netz von Familie und Bekannten. Selten sieht man haitianische Kinder alleine, sondern sie halten sich an den Händen, die Mädchen flechten sich gegenseitig die Haare, eine ganz fassbare Verbundenheit ist zu spüren, die dennoch das Fremde nicht ausschließt.
Nach einer holperigen Fahrt mit dem Unimoc, einem kleinen Lastwagen aus den deutschen Nachkriegsjahren, sind Henri, Felix und ich bei Jean und seiner Werkstatt angekommen, um die Pumpe zu reparieren. Das Atelier liegt in Leogane, einem Vorort von Port au Prince, an dem sich Hilfsorganisationen wir die giz und Croix Rouge niedergelassen haben. Wenn ich ihre unscheinbaren Büros sehe, die sich am Rand der großen Straße in den Süden reihen, wird mir klar, dass es eine überwältigende Aufgabe ist, ein Land von null auf aufzubauen, wenn grundlegende Strukturen fehlen. Und am wenigsten kann so etwas in einem Jahr geschehen. Die Nicht-Regierungsorganisationen bauen meist Schulen und Krankenhäuser, was natürlich durchaus vielen Menschen hilft. Aber um langfristige Hilfe leisten zu können, muss der Staat funktionieren und seine Aufgaben ernst nehmen. Die Hilfsorganisationen können einige Tropfen auf den heißen Stein schütten, was das Problem auch durchaus zu mildern vermag, solange sich die projektleitenden Mitarbeiter an die Gepflogenheiten an das Land anpassen. Das Gegenteil von Gut ist Gut gemeint. Ganz sicher meinen die meisten ihre Arbeit ganz gut und das Ergebnis ist es oft auch. Aber die Art wie die Haitianer sich von den Europäern behandelt fühlen, welche während ihres Kurzzeitaufenthaltes ihre Zeit so sinnvoll wie möglich füllen möchten und strukturiert aber auch sehr fordernd auftreten, müssen mit der ruhigen und auf Beziehungen basierenden Strukturen der haitianischen Kultur kollidieren. Ich stelle mir vor, dass die Arbeit der Helfer resigniert angenommen wird, die Haitianer im Grunde aber froh sind, wenn sie so weiterleben dürfen, wie sie es gerne wünschen.
Meines Erachtens kann langfristige Hilfe auch nur langfristig passieren. Mit Mitarbeitern aus dem hiesigen Land bzw. solchen, die sich entschließen mit den Einheimischen zu leben und sich an ihre Gepflogenheiten anzupassen. Ansonsten wandelt sich die Hilfe zu etwas, das von den kolonialistischen Strukturen wenig entfernt ist. Schnell wird aus dem Wunsch zu helfen eine bevormundende, besserwisserische Art anderen seine Handlungsweisen aufzudrängen.
Und das, wo wir auch nicht glücklich sind und so viel von den anderen lernen könnten.

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